Von Rhythmus und Melodie am Schlagzeug

Was ist für dich eigentlich Musik? Oder besser: In welchen Momenten hast du dich vollständig in der Musik verloren? Die zweite Frage ist deshalb besser, weil sie auf den Ort verweißt, an dem wir über Musik überhaupt etwas aussagen können: Indem wir Musik erleben.

Also? War es auf einem Konzert, zu Hause vor der Musikanlage, im Bus auf dem Weg zur Arbeit oder beim Musizieren auf deinem Instrument? Suche in keinen Büchern nach Definitionen von Musik, sondern suche in deinen eignen Erfahrungen: Was macht Musik musikalisch?Und wenn du etwas gefunden hast, frage pragmatisch: Beeinflusst die Definition deine Art zu spielen?

Manche verteufeln diese Art von Fragen als theoretisch.Ihr Argument: Sie hätten ja gerade keine Verbindung zum tatsächlichen Musik machen. Musik ist doch etwas, dass man fühlen und erleben muss…Sie übersehen aber, dass jeder, ob unbewusst oder bewusst, seine eigenen Antworten auf diese Art von Fragen finden muss und diese an seinem Instrument tagtäglich präsentiert. Ist es darum nicht besser, dass wir uns ganz bewusst mit unseren Vorstellungen über Musik auseinandersetzten? Tatsächlich sind es genau diese Vorstellungen, die unser Spielen am meisten beeinflussen.

 


Eine mögliche Vorstellung: Musik als Struktur

 

Musik ist eine komplizierte Struktur, welche von Musikern auf Instrumenten gespielt wird. Diese Struktur besteht aus Klängen und Tönen, welche rhythmisch, melodisch und harmonisch geordnet sind. Musik wird auf dem Schlagzeug hauptsächlich rhythmisch und melodisch organisiert, darum werde ich mich auf diese beiden Aspekte beschränken.

 

(1) Rhythmus

Jede Musik beginnt mit Rhythmus. Aber wo beginnt Rhythmus?

Beispiel 1: Noten ohne Struktur

 

 

Trommel die Noten auf deinem Bein. Alle Noten sind gleichlang und gleich laut. Nun stelle dir vor du spielst sie 5 Minuten lang. Die entscheidende Frage ist: Haben wir es bereits mit einem Rhythmus zu tun?

Beispiele 2: Ergänze einen Puls

 

 

Spiele wie in Beispiel 1 die Noten auf deinem Bein. Jetzt ergänze mit deinem rechten Bein eine Note auf allen 4 Schlägen, beginnend auf der 1. Was fällt dir auf? Es sollte sich rhythmischer anhören. Aber warum ist das so? Der Puls strukturiert die Noten für dein Ohr. Anstatt wahlloser Noten ordnen wir sie jetzt ganz automatisch in Vierergruppen. Ganz natürlich wippst du mit deinem Kopf mit. Es fühlt sich rhythmischer an, weil dein Ohr eine Struktur erkennt. Rudimentär, aber sie ist da.

Beispiel 3 : Akzentstruktur

 

 

Ergänzen wir nun Akzente. Gesungen: TA te te TA te te TA te. Ohne Frage haben wir es hier mit Rhythmus zu tun. Zusätzlich zum Puls, haben wir es mit einer Akzentstruktur zu tun, welche über 2 Pulse geht. Das erleichtert dem Ohr erneut das Hören, weil es größere Einheiten bilden kann und sich besser orientieren kann. Unterschätze niemals die Macht dieser Illusion beim Zuhörer: Gebe ihm das Gefühl, wann deine Rhythmusfigur beginnt und endet.

 

Eine Definition von Rhythmus

Rhythmus ist die zeitliche Strukturierung von Noten auf der Grundlage eines durchgehenden Pulses. Die so entstandene Akzentstruktur ist die Antwort auf die Frage, wann im Bezug auf den Puls gespielt wird, und wann nicht. Doch erst durch die Wiederholung der so entstandenen Akzentstruktur entsteht Rhythmus. Die Vermittlung von Puls und einer klaren Rhythmusstruktur ist die wichtigste Aufgabe des Schlagzeugers.


Praktische Auswirkung

 

#1 Übungsroutine

Rhythmus ist nicht, wie du eine Note spielst. Einzig relevant ist, ob du eine Note spielst oder eine Pause machst. Das ist alles. Und um es kurz zu sagen: Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Grundrhythmen, die du lernen musst. Aus diesen baust du dann deine Rhythmusstrukturen zusammen.

#2 Spielen

Deine Aufgabe am Schlagzeug ist die rhythmische Begleitung. Du steuerst den Song durch Dynamik, durch eine klare Betonung der einzelnen Teile und hältst die Instrumente durch ein solides Timing zusammen. Aber am Wichtigsten ist, dass du groovst. Es geht darum die Grundrhythmen zu größeren Rhythmusfiguren zu verbinden und mit Phrasierungen anzureichern, welche deine Noten gleichzeitig sinnvoll strukturieren.


(2) Melodie

Melodie baut auf Rhythmus auf, indem wir die Noten mit unserem Instrument interpretieren. Es geht um die Frage nach einer passenden Orchestrierung einer Rhythmusstruktur

Beispiel 1: Rhythmus ohne Melodie

 

 

Wenn wir einen Rhythmus melodisch spielen wollen, stellt sich zuerst die Frage, woraus eine Melodie auf dem Schlagzeug besteht. Anders als auf einem Melodieinstrument haben wir es am Schlagzeug nicht mit definierten – damit meine ich: exakt auf eine Tonhöhe gestimmten – Tönen zu tun. Diese haben aber trotzdem unterschiedliche Tonhöhen und können melodisch interpretiert werden. Wir können allerdings keine Gitarrenmelodie 1:1 nachspielen.

Beispiel 2: Rhythmus mit Melodie

 

 

Wann aber beginnt ein Rhythmus melodisch zu klingen? Sowohl Rhythmus als auch Melodie sind eine horizontale Strukturierung von Noten, sprich von nacheinander gespielten Tönen. Der Unterschied ist, dass die Melodie sich durch die unterschiedliche Tonhöhe der Noten bildet. Aber ist die Notenstruktur in Beispiel 2 bereits eine Melodie? Das Problem ist, dass wir dazu neigen eine kurze, sich wiederholende, Abfolge von Tönen, als einen besonderen Rhythmus zu hören.

Beispiel 3: Gleicher Rhythmus andere Melodien

 

 

Es gibt sehr viele verschiedene Möglichkeiten einen Rhythmus melodisch zu spielen. Aber umso kürzer die wiederholte Tonabfolge ist, umso mehr wird der Zuhörer dazu neigen, die „Melodie“ als „Rhythmus“ zu hören. Wollen wir also den melodischen Aspekt betonen, müssen wir die Melodie länger spielen und eine sinnvolle Melodiestruktur erstellen.

 

Eine Definition von Melodie

Eine Melodie entsteht durch die Orchestrierung eines Rhythmus durch unterschiedliche Tonhöhen. Die so entstandene Tonstruktur ist die Antwort auf die Frage, wie eine Note im Bezug zu Anderen orchestriert wird. Erst durch die Wiederholung und leichte Variation einer Tonstruktur wird diese zur Melodie. Was erreicht ein Schlagzeuger, der seine Rhythmusfiguren melodisch spielt? Er groovt.


Praktische Auswirkungen

 

#1 Übungsroutine:

Wie interpretieren wir Melodien auf dem Schlagzeug? Wir interpretieren Melodien mit unseren Händen und Füßen. Deine erste Herausforderung ist die präzise Koordination deiner 4 Gliedmaßen. Wenn du alle Grundrhythmen mit allen möglichen Handfußkombinationen spielen kannst, hast du das Maximum an Unabhängigkeit erreicht. Für maximale Flexibilität am Set sind Sticking Übungen daher unverzichtbar.

#2 Spielen

In der Praxis orchestrieren wir jeden Rhythmus, sprich wir benutzen verschiedene Klangquellen. Es gibt eine unüberschaubare Menge von Möglichkeiten, aber nicht jede Orchestrierung ist gleich eine Melodie. Der Schlüssel ist, sich ein Konzept zu überlegt, wie genau die Schläge verteilt werden sollen. Erst das macht aus einem Rhythmus eine Melodie. Um einen Überblick über die Menge von Möglichkeiten zu behalten, reduzierst du sie auf eine überschaubare Menge von Orchestrierungskonzepten.


Musik ist Kommunikation. Du willst, dass jemand deine Musik hört? Dann muss er sie verstehen. Nicht intellektuell, sondern intuitiv. Misslingt ihm eine Rhythmus- oder Melodiestruktur herauszuhören, so wird er sich die Frage stellen: Ist das Musik oder ist es Krach?

Claudius

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

This website stores some user agent data. These data are used to provide a more personalized experience and to track your whereabouts around our website in compliance with the European General Data Protection Regulation. If you decide to opt-out of any future tracking, a cookie will be set up in your browser to remember this choice for one year. I Agree, Deny
628