Wie ich besser Groove!


Wenn es eine allgemeine Anforderung an Musiker gibt, dann ist es: Er soll grooven! Doch was das genau bedeutet, ist bei Weitem nicht klar. Aber wie soll man etwas lernen, von dem man nicht wirklich weiß, was es ist?

Ist es eine Frage des Talents? Immer wieder wird behauptet, dass man die Fähigkeit des Groovens hat oder eben nicht. Ohne Zweifel fällt es dem einen oder anderen leichter, aber man kann diese Fähigkeit lernen! Doch dafür müssen wir zunächst einmal verstehen, was Groove bedeutet.

Vermutlich jeder, der einmal mit anderen Musikern zusammenspielt hat, kennt den Moment in dem die Instrumente auf magische Weise ineinanderzugreifen scheinen und den Zauber des Grooves entfachen. Dann plötzlich – vielleicht schon beim nächsten Ton – ist er wieder weg, tief in der Versenkung verschwunden und egal wie sehr man sich anstrengt, er taucht nicht wieder auf.

Auch beim Hören von Musik, ob Konzert oder zu Hause, erleben wir diese Magie. Irgendetwas geschieht mit uns, die Musik scheint zu uns zu sprechen und wir vergessen alles um uns herum. Wir sind Eins mit der Musik. Hören die Melodien und den Rhythmen, welche uns ferne Welten tragen. Automatisch trommeln wir mit den Fingern mit, Wippen mit dem Kopf und singen unbewusst die Melodie mit. Wir sind mit einem Mal im Moment und jede Distanz zur gehörten Musik ist verschwunden.

Ein andere Beschreibung dieses Gefühls ist einfach und schlicht: Wir sind glücklich. Das erklärt auch, warum wir – haben wir diesen Moment einmal erlebt – immer wieder versuchen diesen Moment erneut zu erleben.

Beide Beschreibungen zeigen, wie komplex das Phänomen Groove ist. Aber sie helfen uns in keinerlei Art und Weise, diese Fähigkeit zu verstehen oder zu lernen. Vielmehr sprechen wir von Magie und Zauber und nutzen wage Umschreibungen, um irgendwie zu begreifen, was musikalisch und emotional mit uns passiert.

 


Aber es geht auch anders. Schlagen wir ein Lexikon auf, so finden wir drei Eigenschaften des englischen Begriffs Groove:

(1) Ständig wiederkehrende und klar erkennbare Rhythmusfigur eines Musikstücks,

(2) welche den Rhythmus, die Spannung und das Tempo eines Musikstückes bestimmt.

(3) Grooves sind eine der wichtigsten Elemente, welch auf dem Schlagzeug gespielt und gelernt werden müssen.

Aber was bedeutet das für uns als Schlagzeuger? Wie können wir diese Fähigkeit des groovens lernen?

 

Ich unterscheide zwei verschiedene Aspekte:

Erstens: Wie groove ich auf dem Schlagzeug?

Zweitens: Wie  grooven wir als Band?

 

Finden wir eine Antwort auf Beides, dann haben wir eine gute Grundlage, um unsere Fähigkeit zu grooven effektiv zu trainieren. Ich werde mich in diesem Artikel zunnächst ausführlich dem ersten Aspekt widmen. Aber keine Angst, der zweit Teil wird später nachgeliefert.

Um den Überblick zu behalten, hier eine Übersicht über die Abschnitte des ersten  Teils: Wie groove ich auf dem Schlagzeug.

I. Grooven auf dem Schlagzeug

1. Timing

2. Kontrolle

3. Dynamik

4. Sound

5. Rhythmusfigur

6. Der Versuch einer Definition von Groove


(I) Der Groove auf dem Schlagzeug

(1) Timing

Die erste Dimension ist dein Timing. Du wirst schneller oder langsamer, du eierst um den Puls herum? Dann wirst du auch nicht grooven. Du sollst den Puls des Songs vorgeben und deine Band, sowie der Zuhörer, orientieren sich an dir.

Anforderung an deine Übungsroutine:

#1 Übe mit Metronom ein Gefühl für dein Timing zu bekommen.

#2 Übe solange bis du die Rhythmen, die du spielst, verinnerlicht hast.

#3 Schaffe dir selbst eine Hilfe um den Puls zu fühlen: Kopf und Körperbewegung oder dein linker Fuß.

#4 Am wichtigsten ist, dass du in deinem Kopf die Noten visualisierst. Zähle und singe mit!

Dein Ziel ist es, dass du unabhängig vom Metronom das Tempo hältst. Das heißt: Selbst wenn du zum Metronom spielst, musst du dich nicht darauf konzentrieren es zu treffen. Mir persönlich hat geholfen, das Metronom einfach als zusätzliches Instrument zu hören.


(2) Kontrolle

Zweitens geht es darum deine Fähigkeit der Kontrolle. Im englischen istder Begriff Subdivision Control geläufig. Subdivision sind die verschiedenen Notenwerte, sprich die verschiedenen Möglichkeiten den Puls zu unterteilen.

Diese Noten sollten sowohl zum Puls (Metronom), als auch untereinander (zwischen Gliedmaßen) richtig gespielt werden. Sprich wenn du zum Beispiel auf der “1” eine Basedrum und eine Hi-Hat spielst, sollten auch beide exakt gleichzeitig gespielt werden.

Anforderungen an deine Übungsroutine:

#1 Übe alle Notenwerte: Zunächst getrennt und dann gemischt

#2 Achte darauf, dass du alle Noten korrekt spielst. Hier hilft wieder zählen und singen

#3 Visualisiere jede einzelne Note separat. Übe solange, bis du ohne Zählen zum Metronom diese Note spielen kannst.

Dein Ziel ist es hier, dass du ein Gefühl für den Puls (z. B. 1,2,3,4) entwickelst und ohne zu zählen alle Notenwerte spielen kannst.


(3) Dynamik

Was wäre dein Spiel ohne Dynamik? Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Auffassungen, was man unter “Dynamik” am Set verstehen kann. Allgemein gibt es drei unterschiedliche Ansätze, welche hilfreich sind.

Der Erste bezieht sich auf die Soundquelle, welche du benutzt. Stell dir dein Schlagzeug als ein Orchester vor, welches aus verschiedenen Instrumenten besteht. Jede Trommel und jedes Becken hat eine eigene Stimme, einen eigenen Sound und eine eigene Lautstärke. Dynamik heißt hier Veränderung in der Lautstärke. Wechseln wir aus der Strophe in den Refrain, so wird häufig auch die Soundquelle von Hi-Hat auf Ride- oder Crash-Becken (je nach Musikrichtung) verändert.

Stellen wir uns ein Musikstück als ein Abendessen vor, zu dem wir unserer Freunde eingeladen haben. Um diesen eine gute Zeit zu bereiten, kochen wir verschiedene Gänge. Als Vorspeise, vielleicht ein Salat? Als Hauptgericht ein Steak oder eine Quiche? Was wäre ein besonderer Abend ohne ein Dessert? Eis mit Vanillesoße oder eine selbstgemachte Mousse o Chocolate? Zum Essen ein Wein und danach ein Absacker, vielleicht zusammen mit ein wenig Käse?

Die verschiedenen Gänge des Abendessens symbolisieren die verschiedenen Teile des Liedes. So wie wir ein besonderes Abendessen für Freunde zusammenstellen, so sollten wir ein Musikstück dynamisch ausgestalten. Als Appetitanreger ein wenig Hi-Hat mir Bassdrum, dann ein wenig mehr Snare, als Hauptattraktion ein schön fetter Refrain mit Crash-Becken, als Nachklang ein wenig Ride und Toms und zum Ende eine einsam dahin schwebende Gitarre.

So wichtig, wie diese Auffassung von Dynamik für die Gestaltung eines Musikstückes ist, so wird wohl keiner sagen: Spiel mal das Crash-Becken, das groovt mehr…

Wesentlich hilfreicher sind die beiden anderen Auffassungen von Dynamik.

Zweitens kann man unter Dynamik, dass dynamische Zusammenspiel aller Elementen, aus denen wir unseren Groove bauen, verstehen. Im einfachsten Fall zum Beispiel: Hi-Hat, Snare, Bassdrum. Kurz gesagt geht es hier um die Dynamik zwischen einzelnen Songteilen.

Als ich zum ersten Mal mit meiner Band etwas aufgenommen habe, stellte der Toningenieur sofort fest, dass ich meine Hi-Hat zu laut spielen würde. Der Groove würde aber doch im Wesentlichen aus Bassdrum und Snare bestehen, welchen die Hi-Hat begleitet und umspielt. Und tatsächlich musste ich feststellen: Dadurch, dass ich die Hi-Hat leiser spielte, groovte ich mehr. Es geht um die Lautstärke zwischen den einzelnen Noten oder Groovebestanteilen. Hierrunter fallen auch Akkzentierungen auf einer Soundquelle.

Stellen wir uns unseren Groove als ein Gericht vor, dann symbolisieren Basedrum, Snare und Hi-Hat die Gewürze. Jedes gute Gericht zeichnet sich dadurch aus, dass die Gewürze bzw. der Geschmack angenehm oder interessant ineinandergreifen. Doch aufgepasst: Das heißt nicht notwendigerweise das es kompliziert sein muss. Manchmal ist ein einfaches Gericht genau das richtige!

Die Lautstärke zwischen den Bestandteilen ist extrem wichtig für einen guten Groove!

Die dritte Variante ist, dichter zu spielen. Sprich du spielst mehr Basedrum, mehr Snare, mehr Hi-Hat … Wichtig ist, dass es hier nicht darum geht, lauter oder leiser zu spielen, sondern den musikalischen Raum mit mehr und mehr Noten zu bevölkern.

Dein Essen schmeckt irgendwie nach nichts. Dann ergänze mehr Gewürze!

Anforderung an deine Übungsroutine:

#1 Acht auf die Dynamik jeder deiner Gliedmaßen und frage dich, ob sie gut zusammenpassen. Spiele denselben Groove und verändere die Lautstärke eines Gliedes (z. B. Rechter Fuß), inwieweit verändert sich das Gefühl des Grooves.

#2 Übe die Techniken, welche dir verschiedene Dynamiklevel ermöglichen.

#3 Spiele deinen Groove und bevölkere ihn mit möglichst vielen Noten an. Dann spiele ihn wieder möglichst einfach. Beobachte, wie sich das Gefühl des Grooves verändert.

#4 Mach dir klar, wie sich ein Song dynamisch entwickelt. Versuch dieser Idee zu folgen, indem du jedem der drei Ansätze folgst.

Aufbauend auf einem soliden Timing und der Kontrolle der Notenwerte, die du spielst, ist es vor allem die Kontrolle deiner Dynamik. Dein Ziel sollte sein, alle drei Ebenen der Dynamik zu verwenden.


(4) Sound

Eine häufig unterschätzte Dimension ist der Sound. Hierunter fällt sowohl der Sound deines Schlages, welcher von deiner Schlagtechnik abhängt, als auch der Sound des Instrumentes an sich: Welche Becken werden verwendet, wie sind die Trommeln gestimmt usw. Meiner Meinung nach sollten die verschiedenen Noten harmonisch ineinandergreifen, oder sich rhythmisch ergänzen.

Anforderungen an deine Übungsroutine:

#1 Höre Musik und lerne Klänge präzise zu unterscheiden und zu beschreiben.

#2 Lerne deine Trommeln zu stimmen!

#3 Lerne verschiedene Schlagtechniken, um unterschiedliche Klänge zu erzeugen.

#4 Experimentiere auf deinem Set, wie viele Klänge kannst du wie erzeugen? (Viel mehr als du glaubst!)

Dein Ziel sollte sein, die verschiedenen Instrumente deines Schlagzeugs zu verstehen und kreativ zur Klangerzeugung einzusetzen. Bevor du ein neues Becken oder eine Trommel kaufst, lerne zuerst die Klangvielfalt von dem, was du bereits besitzt!


(5) Rhythmusfigur

Mach dir klar, dass der Groove etwas ist, was sehr konkret auf Zuhörer wirkt. Sei es Mitmusiker oder Publikum. Deine Fähigkeit zu grooven hängt im Wesentlichen davon ab, dass diese ihn fühlen. Ähnlich wie den Puls, welchen du klar kommunizieren solltest (siehe Punkt 1), sollte auch deine Rhythmusfigur deutlich zu hören sein. Sprich der Zuhörer und deine Mitmusiker sollten erkennen, wann du diese wiederholst. Das hilft übrigens auch dir, dich zu orientieren.

Der erste Schritt ist, dass wir aufhören zufällig zu spielen, sondern eine Rhythmusfigur immer und immer wieder wiederholen. Das Problem ist, dass wir und der Zuhörer leicht die Orientierung verlieren, wenn wir den gleichen Rhythmus immer gleichbleibend wiederholen: Sagen wir 16 Mal. Wer zählt da bitte mit? Ein guter Groove zeichnet sich dadurch aus, dass wir uns zu jeder Zeit Sicher sind, an welcher Stelle des Liedes wir uns gerade befinden.

Daher geht es im zweiten Schritt darum, mehrere gleiche Rhythmen zu einem Groove zusammenfassen. Spielen wir zum Beispiel immer vier Mal denselben Rhythmus und beenden diesen mit einer offenen Hi-Hat, besteht unser 16 Teile Part nur noch aus 4. Das ist er deutlich leichter nachzuvollziehen. Der Zuhörer wird automatisch das Gefühl haben, dass du mehr groovst, da er, ohne mitzählen, weiß, wo ein Teil beginnt und wo er aufhört.

Die Möglichkeiten sind hier unbegrenzt. Aber entscheidend ist, dass wir uns dieser einfachen Regel bei der Gestaltung bewusst sind.

Anforderungen an deine Übungsroutine:

#1 Spiele Rhythmen immer als Rhythmusfiguren, sprich mit klarem Anfang und Ende.

#2 Überlege dir passende Phrasierungen, mit welchen du diese abschließt bzw. beginnst. Die einfachsten Varianten wären: Abschluss mit einer offenen Hi-Hat oder Beginn der Neuen mit dem Crash-Becken.

Dein Ziel sollte eine solide rhythmische Figur sein, passend zur Musik. Durch einen klares Ende, hilfst du dir selbst und anderen sich zu orientieren und sich einfacher in der Musik zu verlieren.


7. Der Versuch einer Definition von Groove

Versuchen wir eine Definition von Groove im Bezug auf das Schlagzeugspiel, zunächst unabhängig von der restlichen Musik:

“Umso weniger du im Tempo schwankst, umso klarer den Puls in eindeutige Subdivisions unterteilst und umso mehr du das, was du spielst dynamisch gestaltest, umso mehr wirst du grooven. Wenn dein Sound mehr harmonisch und rhythmisch ineinandergreift und du dem Zuhörer dein Spiel nachvollziehbarer machst, dann groovst du.“

Der Groove, besteht somit im wesentlichen aus den folgenden Dimensionen: Timing, Kontrolle, Dynamik, Sound und klaren Rhythmusfiguren. Diese Unterteilung wird dir in meinen Übungen und meinen Transkriptionen immer wieder begegnen. Sie sind sozusagen der Masterplan deiner Übungsroutine.

 

Claudius

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

This website stores some user agent data. These data are used to provide a more personalized experience and to track your whereabouts around our website in compliance with the European General Data Protection Regulation. If you decide to opt-out of any future tracking, a cookie will be set up in your browser to remember this choice for one year. I Agree, Deny
594